Mit seiner außergewöhnlich hohen Stimme als Altus
ist Jochen Kowalski ein überall auf der Welt
gefragter und gefeierter Opernstar. Doch am wohlsten fühlt
er sich in Berlin, wo einst seine große
Karriere begann.
Von BARBARA JÄNICHEN
Ob in Jeans auf der Terrasse seiner Pankower Traumwohnung, als "Julius
Cäsar" in Harry Kupfers
gleichnamiger Inszenierung an der Komischen Oper, als liebender "Orpheus"
oder Prinz Orlowsky in
der "Fledermaus" von Johann Strauß: der Sänger Jochen Kowalski
macht immer eine gute Figur. Bei unserem Besuch in seiner Penthouse-Wohnung,
die er seit Mai bewohnt, erklärt er jedoch: "Das ist eine große
Ausnahme." Denn sein Privatleben ist ihm heilig, da möchte er sonst
nicht gestört sein.
Wenn er auf der Terrasse sitzt, dem Vogelgezwitscher lauscht und versonnen
in die Ferne blickt, hat
er so gar nichts von einem in aller Welt gefeierten Opernstar an sich.
In seinen vier Wänden ist der
dreiundvierzigjährige Altus mit der außergewöhnlichen
hohen Stimme einfach nur "Mensch", trägt ein
farbenfrohes Hemd mit roten Mohnblumen und legt passend dazu Rosita
Serranos Uralt-Hit "Roter
Mohn" auf den Plattenteller: Alte Schallplatten und Filme sind seine
große Leidenschaft. Er schwärmt
von den damals ausdrucksstarken Leinwand-Persönlichkeiten und
bringt sein Bedauern zum Ausdruck, daß "heute die meisten Kino- und
Fernsehdarsteller vom Typ her austauschbar" sind.
Obwohl Jochen Kowalski in Japan genauso gefragt ist wie an der
New Yorker "Met" oder der Royal
Opera Covent Garden in London, hängt er mit allen Fasern
seines Herzens an "seiner" Komischen
Oper und an Berlin: "Ich liebe das Berliner Publikum über
alles. Das akzeptiert auch, wenn ich mit
meiner Stimme aus gesundheitlichen Gründen mal nicht hundertprozentig
gut drauf bin."
Das am besten vorbereitete Opernpublikum fand der Sänger hingegen
in Japan: "Die kannten bei
einem Abend mit Liedern von Schubert genau die Texte, was mich echt
verblüfft hat", sagt Kowalski, der jedesmal mit einem Koffer voller
Fan-Geschenke (vom Plüschtier bis zur Versace-Krawatte und einem Porträt
von ihm in Ölfarbe) aus Fernost heimkehrt.
Wann hat er gewußt, daß er Sänger werden wollte? "Eigentlich
schon als Kind", erinnert er sich. Der
jüngste von drei Söhnen eines Fleischermeisters ("Wir kamen
im Abstand von jeweils sechs Jahren
zur Welt") wuchs bis zum 18. Lebensjahr in Wachow/Mark Brandenburg
auf. "Ich hatte wunderbare Eltern, wir waren eine sehr intakte Familie,
das alles hat mir meine Bodenständigkeit erhalten." Reinhard, der
älteste, übernahm nach dem Tod des Vaters die Fleischerei; Gerhard
lebt in Berlin, ist Journalist bei der Presseagentur ADN.
Nach dem Abitur ging Jochen Kowalski zwar bereits 1972 nach Berlin an
die Komische Oper -
zunächst jedoch nur für ein fünfjähriges Zwischenspiel
als Requisiteur. Ansonsten nutzte er die Zeit auf seine Weise: "Ich war
ständig auf den Proben, beobachtete die Stars wie Theo Adam, Peter
Schreier oder Hermann Prey."
Die Aufnahmeprüfungen an der renommierten Musikhochschule
"Hanns Eisler" verliefen für ihn allerdings erst einmal sehr enttäuschend.
"Ich wurde zweimal als ,unbegabt' abgelehnt, habe deshalb gewissermaßen
immer noch ein etwas gespanntes Verhältnis zur Musikhochschule", gibt
Kowalski ehrlich zu. Erst beim dritten Anlauf klappte es im Tenorfach.
Es folgten ganz normale Studienjahre - bis zum großen "Aha"-Erlebnis
1981 durch die gemeinsame Arbeit mit der Gesangspädagogin Marianne
Fischer-Kupfer (Ehefrau von Opernregisseur Harry Kupfer): Erst sie
entdeckte seine Begabung für
das männliche Altfach.
1984 schaffte Jochen Kowalski mit der Titelpartie in Händels "Giustino"
den internationale Durchbruch, wurde längst vor dem Fall der Mauer
zum Opernliebling in Ost und West. Zahlreiche Schallplatten, CDs und TV-Produktionen
dokumentieren seine Kunst, darunter eine Gesamtaufnahme von Glucks Orpheus
und Eurydike" sowie Fernsehaufzeichnungen von Händels "Giustino" und
"Belsazar".
Auf Kowalskis Terminplan steht demnächst u.a.: Mitte September
beginnt eine vierwöchige Tournee
durch Japan, am 23. Dezember wird das 50jährige Bestehen der Komischen
Oper gefeiert, Silvester
steht er in der "Fledermaus" auf der Bühne der Staatsoper Unter
den Linden. 1998 folgen Gastspiele in
Wien und erneut Auftritte in Asien, von Japan bis nach Taiwan.
Welchen Beruf könnte er sich sonst noch vorstellen? "Schauspieler",
kommt es wie aus der Pistole
geschossen, "vor allem mit meinem Lieblingsschauspieler Götz Schubert
würde ich gern einmal vor der Kamera stehen." Als Gymnasiast mochte,
wie viele seiner Freunde, ganz besonders James Dean - ein Foto von ihm
hängt in schönster Eintracht mit alten Ufa-Stars und Opernsängern
an der Wand in einer Ecke seines Arbeitszimmers.
Ansonsten will sich Jochen Kowalski beruflich nicht für alle Zeiten
festlegen, wagt zwischendurch gern mal etwas Neues. "Man darf nicht alles
zu ernst nehmen, vor allem sich selber nicht", sagt er lachend und greift
sich wie zum Beweis eine Werbe-Papp-Figur der Komischen Oper, die ihn als
upermodernen
Typ in Jeans und Lederjacke zeigt: "Ich kann mich auch selber auf den
Arm nehmen..."
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